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Notfallkoffer für Unternehmer*innen

Vorkehrungen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit gerade in Zeiten der Corona-Pandemie

Als Unternehmerin oder Unternehmer sind Sie für die erfolgreiche Führung Ihres Unternehmens verantwortlich. Ohnehin gehören hierzu Vorkehrungen für den Fall, dass Sie Ihrem Unternehmen plötzlich für längere Zeit nicht zur Verfügung stehen könnten. Durch die Corona-Pandemie erlangt dieses für viele unliebsame und oft beiseitegeschobene Erfordernis neue – wenn auch ungewollte – Bedeutung.

Expert*innen gehen gegenwärtig (Stand: April 2020) davon aus, dass 60 bis 70 % der Gesamtbevölkerung eine Infektion mit dem Sars-CoV-2-Erreger erleiden wird. Nach den Angaben des Robert Koch Instituts wird in 4,5 % der vorgenannten Fälle ein sogenannter schwerer Verlauf erwartet. Schwere Fälle haben nach den Angaben des Instituts im Mittel eine Verlaufsdauer von drei bis sechs Wochen. Für rund 1/8 der schweren Fälle ist der Verlauf tödlich.1 Die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs wird zudem mit zunehmendem Alter oder bei Bestehen bestimmter Vorerkrankungen wahrscheinlicher.

Gerade in dieser Zeit, die für viele Unternehmen ohnehin zur finanziellen Zerreißprobe wird, ist das Unternehmen mehr denn je auf eine gesicherte Handlungsfähigkeit angewiesen. Gegenwärtig erwartet die deutsche Wirtschaft eine Rezession wenigstens in der Stärke der Finanzkrise von 2009.2 Ein Ausfall der unternehmerischen Entscheidungsträger*innen auf Dauer oder auch nur für mehrere Wochen können sich die meisten Unternehmen in dieser Krise nicht erlauben.

Um ein Handlungsvakuum im Fall der Fälle zu vermeiden, stellen wir Ihnen nachfolgend dar, welche wesentlichen Aspekte zuvor dringend durchdacht und abgeklärt sein sollten.

1. Wer vertritt Sie im Notfall? Hat die Gesellschaft eine ausreichende Anzahl an Vertreter*innen (Geschäftsführer*innen, Prokurist*innen, allgemeine Handlungsvollmacht), die die Gesellschaft in allen Angelegenheiten bei Ausfall von Personen vertreten können?

Bestimmte Maßnahmen können nur durch Geschäftsführer*innen wirksam durchgeführt werden. Es sollte daher geprüft werden, ob die Notwendigkeit der Bestellung weiterer Geschäftsführer*innen besteht – insbesondere, wenn die Gesellschaft nur eine*n Geschäftsführer*in hat. Auch über das Erteilen von Prokura und Handlungsvollmachten an leitende Angestellte oder das Erteilen spezifischer Vollmachten für bestimmte Aufgabenbereiche sollte nachgedacht werden.

Tipp:

Geprüft werden sollte, ob im Einzelfall Einzelvertretungsbefugnis oder Gesamtvertretungsbefugnis vorliegt. Empfehlenswert kann hier die Änderung von einer Gesamtvertretungsbefugnis auf eine Einzelvertretungsbefugnis sein, um die Handlungsfähigkeit des Unternehmens im Notfall zu sichern.

Hinweis:

Solche Änderungen bedürfen beispielsweise bei einer GmbH einer Gesellschafterversammlung, welche diesbezüglich eine Änderung der Satzung (Vertretungsregelungen) beschließt. Hierzu ist eine notarielle Beurkundung erforderlich. Die Änderung ist zudem im Handelsregister einzutragen und bekanntzumachen. Bei Eintritt des Notfalls erscheint es uns fraglich, ob sich dies in der Kürze der Zeit realisieren lässt, weshalb es sich um einen gegenwärtigen prophylaktischen Handlungsbedarf handelt. Zur erleichterten Abhaltung solcher Gesellschafterversammlungen durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht informieren wir Sie in unserem PKF-Blogbeitrag hier.

2. Wer führt das Unternehmen bei einem längeren oder gar endgültigen Ausfall des/der Unternehmers/Unternehmerin weiter?

Entgegen verbreiteter Auffassung gibt es kein allgemeines gesetzliches Vertretungsrecht von Angehörigen für unternehmerische Entscheidungen. Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr, dass das Vormundschaftsgericht eine*n Betreuer*in bestellt, der/die dann die Geschicke des Unternehmens leitet.

Tipp:

Durch Vorsorgevollmachten und/oder Generalvollmachten können die kontinuierliche Handlungsfähigkeit gewährleistet und behördliche Betreuungsmaßnahmen vermieden werden. Dies gilt im Übrigen im gleichen Maße für den privaten vermögensrechtlichen und persönlichen Bereich (Stichwort: Patientenverfügung).

In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch die testamentarischen Vorkehrungen kritisch zu prüfen. In Zeiten der sich gegenwärtig weitervertiefenden Wirtschaftskrise sind einst zur Absicherung der Familie und des Unternehmens geschlossene Unternehmertestamente auf ihren Anpassungsbedarf hin zu prüfen. Hier gilt es aktuell ggf. unnötige Liquiditätsabflüsse durch Pflichtteile, Steuerlasten etc. zu vermeiden. Für gewisse Unternehmen – z. B. ohne geeignete familieninterne Unternehmensnachfolger*innen – mag sich die Anordnung einer Testamentsvollstreckung durch eine*n fachkundige*n Steuerberater*in, Wirtschaftsprüfer*in und/oder Rechtsanwält*in empfehlen.

3. Ist der Erhalt des Unternehmer-Know-hows gewährleistet?

Steht plötzlich wichtiges Know-how nicht mehr zur Verfügung – angefangen bei scheinbar simplen Dingen wie Passwörtern und PIN bis hin zu Sonderabsprachen mit Kund*innen oder besonderen Fertigungsverfahren, unterbleiben oder verzögern sich wichtige Entscheidungen.

Tipp:

Stellen Sie für den Ernstfall einen Notfallkoffer bereit, in dem alle wichtigen Unterlagen und Informationen zusammengefasst sind. Für Vertreter*innen oder Nachfolger*innen ist es eine enorme Erleichterung. Mit einer vorausschauenden Planung verschaffen sie sich auch bei ihren Geldgeber*innen Pluspunkte. Denn eine frühzeitige Regelung der Nachfolge verbessert das qualitative Rating, das von den Banken und Sparkassen für eine Kreditvergabe zugrunde gelegt wird.

Die Qualität der Nachfolgeregelung steht damit neben Eigenkapitalquote und Cashflow. Nicht zuletzt erhält eine verantwortungsvolle Planung im Notfall auch den Familienfrieden.

4. Was sollte der unternehmerische Notfallkoffer enthalten?

  • Operativer Notfallplan (Ablaufplan für den Notfall, vgl. Frage 5)
  • Vollmachten (Prokura, Handlungsvollmacht, Generalhandlungsvollmachten)
  • Unternehmertestament
  • Aktuelle Vermögensaufstellung, Vermögensnachfolgekonzepte (steuerlich, rechtlich)
  • Geschäftliche Unterlagen (Gesellschaftsverträge, Versicherungsscheine etc.)
  • Wichtige Adressen (Familienangehörige, Berater*innen, Kooperationspartner*innen etc.)
  • Passwörter und Schlüssel (Konto-, Tresor- und EDV-Zugang, Zweitschlüssel)

5. Welche Aspekte sollte der operative Notfallplan berücksichtigen?

  • Vertretung im Notfall (Frage 1)
  • Geschäftsführung bei längerem oder endgültigen Ausfall (Frage 2)
  • Erhalt des Unternehmer Know-hows (Frage 3)
  • Bewusstsein über die strategischen Unternehmensziele
  • Zugang zu allen wichtigen Unterlagen und Informationen – Notfallkoffer (Frage 4)
  • ggf. Prognose der Liquiditätsbelastungen bei Ausfall des/der Unternehmers/Unternehmerin

Tipp:

Für große und mittelständische Unternehmen oder bestimmte Branchen kann sich die Ausarbeitung eines speziellen Pandemieplans als sinnvoll erweisen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hält hierfür unter folgendem Link ein Handbuch zur betrieblichen Pandemieplanung mit vielen wertvollen Checklisten bereit.
 

­­1 Dr. Matthias an der Heiden und Dr. Udo Buchholz,  Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epidemie 2020 in Deutschland, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Modellierung_Deutschland.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 02.04.2020)

2 Aussage des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier vom 02.04.2020, u. a. https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/coronakrise-altmaier-wirtschaft-koennte-staerker-einbrechen-als-in-der-finanzkrise/25709140.html (Stand: 02.04.2020)

Stand: 8. April 2020

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