Blogbeitrag
Erscheinungsdatum 20.06.2023

von
Astrid Schulte

Am Freitag, 16.06.2023 hat der Bundesrat auf Initiative der Bundesländer Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst. Mit dieser Entschließung wird die Bundesregierung aufgefordert, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) stärker zu regulieren.

Der schnelle und stetige Anstieg von MVZ-Gründungen birgt nach Auffassung der Bundesländer das Risko von unerwünschten Konzentrationsprozessen. Insbesondere bei investorengetragenen MVZ warnen die Bundesländer darüber hinaus vor weiteren Risiken, was die Gewährleistung einer flächendeckenden, umfassenden medizinischen Versorgung anbelangt.

Um dieser Entwicklung zu begegnen, sieht die Entschließung ein vielschichtiges Maßnahmenpaket vor. Zum einen sind Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz, wie die Etablierung eines bundesweiten MVZ-Registers und eine Kennzeichnungspflicht für Träger und Betreiber von MVZ auf dem Praxisschild geplant. Hierdurch sollen die Eigentumsverhältnisse der MVZ offenbart werden. Zum anderen sind deutliche regulatorische Einschränkungen gegenüber dem Status quo vorgesehen. Beispielsweise sollen Krankenhäuser künftig nur in einem Umkreis bis zu 50 Kilometern von ihrem Sitz ein MVZ gründen können. Auch sollen Höchstversorgungsanteile für Haus- und Fachärzte - sowohl bezogen auf die arztgruppenbezogenen Planungsbereiche als auch auf den gesamten Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen - eingeführt werden. Beachtlich erscheint ferner die Forderung nach einer Streichung der Möglichkeit des Arztstellenerwerbs für MVZ im Wege des Zulassungsverzichts gem. § 103 Abs. 4a S.1 SGB V.

Last but not least enthält die Entschließung Regelungsvorschläge, die darauf abzielen, die Unabhängigkeit der ärztlichen Berufsausübung im MVZ vor dem Einfluss sachfremder, insbesondere rein ökonomisch gesteuerter Interessen zu schützen. Beispielsweise soll die ärztliche Leitung von MVZ durch besondere Abberufungs- und Kündigungsschutzvorschriften gestärkt und Disziplinarmaßnahmen künftig auch gegen das MVZ verhängt werden können.

Die v. g. Entschließung des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet. Die Bundesregierung entscheidet eigenständig, wann sie sich damit befasst. Ein festes Fristenregime existiert insofern nicht.

Bekanntermaßen waren dieser Entschließung diverse gutachterliche Stellungnahmen sowie Positionierungen verschiedener Verbände sowie Selbstverwaltungsorganisationen zeitlich vorausgegangen. Exemplarisch genannt sei eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache 20/4778, die die Bundesregierung Anfang dieses Jahres beantwortet hat - Drucksache 20/5166, die speziell die Auswirkungen investorengetragener Medizinischer Versorgungszentren auf das Gesundheitssystem in Deutschland zum Gegenstand hatte. Der Antwort der Bundesregierung angefügt war der Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit an die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden - Gutachten zu medizinischen Versorgungszentren (MVZ) mit Investorenbeteiligung.

Anfang dieses Jahres hatte sich u. a. auch die Bundesärztekammer (BÄK) mit einem Zwölf-Punkteplan zum „Regelungsbedarf für Medizinische Versorgungszentren zur Begrenzung der Übernahme von MVZ durch fachfremde Finanzinvestoren und zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und umfassenden ambulanten Versorgung“ zu Wort gemeldet. Die BÄK geht im Kern davon aus, dass von MVZ (Gruppen) mit nichtärztlichen Kapitalgebern eine Gefährdung der Versorgungsqualität ausgeht.

Es ist zu resümieren, dass die Tonlage, mit der die politische Debatte geführt wird, an Schärfe zunimmt. Der für das erste Quartal 2023 vom Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach avisierte Gesetzesentwurf, mit dem der Einstieg von Investoren in Arztpraxen unterbunden werden sollte, steht zwar noch aus, nichtsdestotrotz stehen die politischen Zeichen im Bund sowie in den Ländern auf Regulierung. Diesem Trend versuchen u. a. der Bundesverband der Betreiber Medizinischer Versorgungszentren (BBMV) und der Verband Akkreditierter Labore in der Medizin e.V. (ALM) entgegenzuwirken. Sie berufen sich u. a. auf ein Gutachten, in dem ein Expertentrio bestehend aus dem Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Frank-Ulrich Fricke, dem Rechtsanwalt Dr. Stephan Rau und dem langjährigen Leitenden Verwaltungsdirektor der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Franken und Oberbayern, Werner Köhler, untersucht hat, welche Rolle Investoren in der ambulanten Versorgung spielen. Die Experten gelangen zu dem Ergebnis, dass sich neue Regelungen im Endeffekt negativ auswirken würden, vgl. Handelsblatt v. 15.02.2023.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

 

Über die Autorin: Astrid Schulte ist Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Wirtschaftsmediatorin bei der PKF FASSELT Partnerschaft mbB Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Rechtsanwälte (Mitgliedsunternehmen des PKF-Netzwerkes).

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