Blogbeitrag
Erscheinungsdatum 28.03.2024

Seit der Corona-Pandemie ist das Arbeiten im Homeoffice für viele Menschen kaum noch wegzudenken. Aber genau wie bei einem Arbeitsplatz im Büro, lauern auch im Home-Office Gefahren für die Gesundheit.

von
Maha Steinfeld

Unfallgefahren, die der Arbeit zuzurechnen sind, werden i. d. R. durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt. Jedoch ist es je nach Fallkonstellation oftmals nicht eindeutig zu beantworten, wann genau ein „Arbeitsunfall“ vorliegt. 

Hierzu hat das Bundessozialgericht (BSG) ein aktuelles Urteil gefällt, in dem es den Arbeitsunfall im Home-Office - im Widerspruch zu den Vorinstanzen und trotz eines etwas ungewöhnlichen Hergangs - bejaht und somit dem klagenden Versicherten Recht gegeben hat.

Sachverhalt

Der Kläger war als selbständiger Busunternehmer bei der Beklagten, einer gesetzlichen Unfallversicherung, pflichtversichert. Er arbeitete an dem Unfalltag in seinem Wohnzimmer. Nachdem er seine Kinder von der Schule abgeholt und sich wieder in das Wohnzimmer an den Schreibtisch begeben hatte, bemerkte er, dass die Heizkörper im gesamten Haus nicht funktionierten. Um die Ursache zu untersuchen, begab er sich in den Heizungskeller und drehte am Temperaturschalter. Dadurch kam es aufgrund eines Defekts der Heizungsanlage zu einer Verpuffung im Heizkessel, bei der die Zugluftklappe in der Kaminwand heraussprang und den Mann im Gesicht traf, wodurch er schwer am Auge verletzt wurde. 

Entscheidung

Von zentraler Bedeutung für die Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls (§ 8 Abs. 1 SGB VII). 

Das BSG geht grundsätzlich davon aus, dass die jeweilige, zur Zeit des Unfalls verrichtete Tätigkeit, der versicherten Tätigkeit („Arbeit“) zuzurechnen sein muss, mithin ein innerer oder sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Tätigkeiten bestehen muss. Dazu müsse die jeweilige Tätigkeit wesentlich und zielgerichtet dem Unternehmen zu dienen bestimmt sein. Bestehe die Motivationslage sowohl aus einem privaten als auch aus einem unternehmensdienlichen Teil, müsse die Frage gestellt werden, ob die konkrete Tätigkeit auch ohne die private Motivation heraus aus unternehmensdienlichen Gründen vorgenommen worden wäre.

Die Berufsgenossenschaft verneinte in dem konkreten Fall den inneren Zusammenhang der für den Unfall ursächlichen Tätigkeit - der Untersuchung der Heizung -zu der Tätigkeit als Busunternehmer im Homeoffice. Der Unternehmer habe die Heizung bloß aufdrehen wollen, um seine Kinder, die er zuvor von der Schule abgeholt hatte, mit Wärme zu versorgen. Von einer Gefahr, bei der sich ein typisches Arbeitsrisiko für den Versicherten verwirklicht habe, könnte somit nicht gesprochen werden. Das Landessozialgericht in der zweiten Instanz wiederum argumentierte zuungunsten des Klägers damit, dass allein die defekte, in dem Privateigentum des Busunternehmens stehende Heizungsanlage zu dem Unfall geführt habe, so dass es den Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall im Ergebnis ablehnte. 

Diesen Argumentationen widersprach das Bundessozialgericht (BSG). Der Unternehmer habe zwar auch seine Kinder mit Wärme versorgen wollen, aber es sei darüber hinaus zu beachten, dass er sein eigenes Wohlbefinden im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit steigern wollte. Es bestand somit eine gespaltene Motivlage. Denke man sich die private Motivation (Kinder mit Wärme versorgen) weg, so bleibe die Motivation, das eigene Wohlbefinden im Homeoffice zu steigern, trotzdem bestehen. 

Sofern eine solche unternehmensdienliche Motivation gegeben sei, ändere an der Einordnung als Arbeitsunfall auch nicht, dass die Gefahr hier letztlich von einem privaten Gegenstand ausgegangen sei.

Denn bei unternehmensdienlichen Verrichtungen seien im Homeoffice auch die von privaten Gegenständen ausgehenden Gefahren versichert. Die eingeschränkten Möglichkeiten zur präventiven, sicheren Gestaltung von häuslichen Arbeitsplätzen rechtfertigen keine Einschränkungen des Versicherungsschutzes, so das Gericht. 

Fazit

Gerade in Zeiten, in denen sich das Homeoffice mehr und mehr verbreitet, ist die vorliegende Entscheidung des BSG für die Einordnung des Arbeitsunfalls besonders bedeutsam und stärkt im Ergebnis die Rechtsposition der Versicherten.

 

Quelle: Bundessozialgericht, Urteil vom 21. März 2024 - B 2 U 14/21 R - Terminbericht 08/24 
Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Fabio Althaus (stud.jur.) verfasst.

 

Über die Autorin: Maha Steinfeld ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der PKF FASSELT Partnerschaft mbB Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Rechtsanwälte (Mitgliedsunternehmen des PKF-Netzwerkes).

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