Blogbeitrag
Erscheinungsdatum 05.06.2023

von
Christian Gerulat

Im Dezember 2022 wurde die Endfassung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Sie muss von den EU-Mitgliedsstaaten bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht transformiert werden. Einer der Schwerpunkte der CSRD ist neben der Ausweitung der Zahl der Unternehmen auch die der Konzerne, die zukünftig einen Nachhaltigkeitsbericht aufzustellen haben. Diesbezüglich enthält die CSRD zahlreiche, teils sehr komplexe, Ausführungen. Hinzu kommt, dass noch nicht alle Detailfragen abschließend geklärt sind. Für die Praxis stellt sich somit die Frage, inwieweit ein Konzern in den Anwendungsbereich der neuen Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung fällt und wie sein Konsolidierungskreis zukünftig ausgestaltet ist.

Voraussetzung für die Pflicht zur konsolidierten Nachhaltigkeitsberichterstattung gem. CSRD ist das Vorhandensein eines großen Konzerns, bemessen an den allgemeinen Größenkriterien Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Anzahl der Arbeitnehmer, wobei die Größenmerkmale auf konsolidierter Basis zu ermitteln sind (§ 293 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Im Gegensatz zur konsolidierten Finanzberichterstattung, besteht bei der konsolidierten Nachhaltigkeitsberichterstattung keine automatische Berichtspflicht bei Einbeziehung eines Unternehmens von öffentlichem Interesse.

Mutterunternehmen, die einen konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht erstellen, sind gem. CSRD von der nichtkonsolidierten Berichtspflicht befreit. Dies gilt auch, falls das Mutterunternehmen als Unternehmen von öffentlichem Interesse zu klassifizieren ist.

Gesonderte Regelungen zum Konsolidierungskreis im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind in der CSRD nicht enthalten. Genauere Ausführungen finden sich hingegen in den Entwürfen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Demnach sollen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung grundsätzlich die Berichtspflichten der Finanzberichterstattung gelten („Integrated Reporting“). Assoziierte und Gemeinschaftsunternehmen sind in diesem Zusammenhang als Teil der Wertschöpfungskette einzubeziehen, wobei die Einbeziehung nicht zwangsweise in quotaler Form erfolgt. Vielmehr richtet sich ihr Umfang nach der für den Nachhaltigkeitsbericht erfolgten Wesentlichkeitsanalyse. Ein wesentlicher Unterschied zur Finanzberichterstattung besteht zudem darin, dass in den Nachhaltigkeitsbericht auch Angaben zu konzernfremden Unternehmen aufzunehmen sind, die aber wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfungskette sind.

Für Tochterunternehmen, die in einen befreienden konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht eines EU-Mutterunternehmens einbezogen werden, entfällt die Pflicht, selbst einen Nachhaltigkeitsbericht aufstellen zu müssen (sog. Konzernprivileg). Das Konzernprivileg gilt auch für einbezogene Unternehmen, die sich in einem aufsichtsrechtlich erweiterten Konsolidierungskreis befinden und einer zentralen Aufsicht unterliegen, also Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen. Solchermaßen einbezogene Unternehmen werden einem Tochterunternehmen gleichgestellt. Ebenso gilt das Konzernprivileg, falls das Mutterunternehmen in einem Drittland niedergelassen ist, der veröffentlichte konsolidierte Nachhaltigkeitsbericht aber als gleichwertig festgestellt wurde.

Nicht in Anspruch genommen werden kann das Konzernprivileg gem. CSRD hingegen, wenn das einbezogene Tochterunternehmen gleichzeitig als groß und als kapitalmarktorientiert zu klassifizieren ist. Diese Regelung betrifft sowohl die nichtkonsolidierte als auch die konsolidierte Berichtspflicht. Unterliegt das Tochterunternehmen einer konsolidierten Berichtspflicht, so ist es zumindest von der nichtkonsolidierten Berichtspflicht befreit.

Ungelöst ist derzeit die Frage, ob sich das Konzernprivileg auch umdrehen lässt, d. h. ein Verzicht auf das Konzernprivileg es der Muttergesellschaft ermöglicht, lediglich auf die Nachhaltigkeitsberichte der Tochtergesellschaften zu verweisen. Dies kommt insbesondere bei Mischkonzernen in Frage, bei denen die Geschäftsfelder derart unterschiedlich sind, dass ein einheitlicher Nachhaltigkeitsbericht auf Konzernebene unter Risikoaspekten keinen Sinn macht. Oder bei Stadtwerken, die sowohl den öffentlichen Nahverkehr, Freizeitangebote und Stromerzeugung unter einem Holdingdach vereinen. Zwar eint sie der Zweck der Gemeinschaftsfürsorge, die daraus resultierenden Risiken weisen aber erhebliche Unterschiede auf.

Eine wichtige Rolle bei der Anwendung des Konzernprivilegs spielt auch der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechnungslegung. Die Anwendung dieses Grundsatzes auf den Nachhaltigkeitsbericht kann implizit aus der CSRD abgeleitet werden. Diese ergibt sich aus der Tatsache, dass im Rahmen der Finanzberichterstattung Konzernabschluss und Konzernlagebericht miteinander im Einklang stehen müssen. Da die CSRD explizit die Integration des Nachhaltigkeitsberichts in den Konzernlagebericht fordert, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Bestimmungen für die finanzielle Konzernberichterstattung auch auf die konsolidierte Nachhaltigkeitsberichterstattung erstrecken. Ein Verstoß des übergeordneten konsolidierten Nachhaltigkeitsberichts gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit hätte somit zur Folge, dass dieser keine befreiende Wirkung im Hinblick auf die Berichtspflichten der einbezogenen Tochterunternehmen entfaltet.

Die ESRS bieten - zumindest über den Auslegungsweg - Möglichkeiten, vom Grundsatz der Einheitlichkeit abzuweichen. Dafür muss das Mutterunternehmen entweder nachvollziehbar darstellen, dass die Effekte der Vereinheitlichung unwesentlich im Sinne des Wesentlichkeitsverständnisses der ESRS sind oder nachweisen, mit angemessenen Bemühungen auf die Vereinheitlichung hinzuwirken und diese nach einem plausibel dargestellten Übergangszeitraum auch zu erreichen. Im zweiten Fall darf die Aussagekraft des Nachhaltigkeitsberichts durch die unterlassene Vereinheitlichung nicht beeinträchtigt sein.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die teils komplexen Regelungen der CSRD und im zweiten Schritt der ESRS, die Praxis vor große Herausforderungen stellen werden. In Bezug auf den Anwendungsbereich der konsolidierten Berichtspflicht ist die grundlegende Ausrichtung der CSRD deutlich, wohingegen viele wichtige Detailfragen derzeit noch ungeklärt sind. Einige dieser Fragen werden sicherlich vom nationalen Gesetzgeber im Rahmen der Rechtstransformation aufgegriffen und klargestellt. Für die Praxis ist es empfehlenswert, sich möglichst frühzeitig mit diesen Fragen zu befassen und die weitere Entwicklung aufmerksam zu verfolgen.

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