Blogbeitrag
Erscheinungsdatum 23.01.2024

Änderungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung

Das BMF hatte am 19.07.2023 den Entwurf für eine Neufassung des Anwendungserlasses zum Außensteuergesetz (AEAStG-E) veröffentlicht, in welchem grundsätzlich das gesamte Außensteuergesetz thematisiert wurde. Der Bereich der Verrechnungspreise war hingegen bereits im gesonderten BMF-Schreiben vom 06.06.2023 („Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023“) behandelt worden und daher im Erlassentwurf ausgespart. Das BMF hat den Entwurf in der Folgezeit - z. T. unter Berücksichtigung verschiedener Eingaben etwa von der BStBK – stellenweise überarbeitet und am 22.12.2023 die endgültige Fassung des Erlasses veröffentlicht.

Die wesentlichen Neuerungen des Erlasses im Vergleich zum gleichnamigen BMF-Schreiben aus 2004 betreffen die gesetzlichen Änderungen bei der Wegzugsbesteuerung, vor allem aber die Hinzurechnungsbesteuerung, wie sie grundsätzlich seit 2022 anzuwenden ist. Unter Fokussierung auf diese neue Hinzurechnungsbesteuerung sind folgende Aspekte besonders hervorzuheben:

  • Einleitend finden sich Ausführungen zum Verhältnis zwischen der allgemeinen Hinzurechnungsbesteuerung und derjenigen für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter sowie den Regelungen des Steueroasenabwehrgesetzes.
  • Anschließend beschäftigt sich der Erlass mit dem Tatbestand der Inländerbeherrschung. Dabei werden auch die neu ins Gesetz aufgenommenen Varianten der Beherrschung durch einen Anspruch auf mehr als 50 % des Gewinns oder Liquidationserlöses behandelt, wobei es aus Verwaltungssicht zur Erfüllung des Tatbestands offenbar auch genügen soll, wenn sich dieser Anspruch aus einem hybriden Finanzinstrument mit Fremdkapitalcharakter ergibt. Diese Auffassung erfordert hohe Aufmerksamkeit bei der Prüfung gegenwärtiger bzw. der Gestaltung künftiger Strukturen.
  • Im Erlass finden sich nunmehr auch Hinweise darauf, wie die Finanzverwaltung die Begriffe des Nahestehens durch abgestimmtes Verhalten interpretieren will, was insbesondere in Fällen einer Mitunternehmerschaft oder Personengesellschaft relevant ist, da der Gesetzgeber in einem solchen Fall das Zusammenwirken der Beteiligten durch abgestimmtes Verhalten (widerlegbar) unterstellt. Als praktische Erleichterung betrachtet der AEAStG diese Vermutung jedoch regelmäßig als widerlegt, wenn am Ende des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft eine durchgerechnete Beteiligungshöhe von 5 % an der Personengesellschaft nicht überschritten wird und keine besonderen Umstände hinzutreten. Ebenso kann ein Zusammenwirken durch abgestimmtes Verhalten widerlegt werden, wenn sich der gemeinsame Zweck in einer Vermögensanlage erschöpft und die Anleger sich entweder nicht kennen oder ihnen ausschließlich Informationsrechte zustehen.
  • Der sog. Aktivkatalog der Einkünfte, die nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterfallen, war durch die Gesetzesreform 2021 nur stellenweise geändert worden. Von besonderem Interesse sind daher die Ausführungen des Erlasses zu diesen neugefassten Gesetzespassagen - z. B. zu den Voraussetzungen, unter denen bezogene Dividenden als aktiv einzustufen sind. Darüber hinaus wurden aber auch andere Ausführungen mit erheblicher Auswirkung angepasst, so z. B. in Bezug auf die Aktivität einer Rechteüberlassung. Auch im Hinblick auf Handelstätigkeiten sind im Erlass verschiedene neue Ausführungen enthalten, worunter insbesondere drei Änderungen in Bezug auf Schädlichkeit von Mitwirkungen erwähnenswert sind:
    • Anders als im AEAStG 2004 wird die Übernahme des Handelsrisikos nicht mehr ausdrücklich als Mitwirkung erwähnt. Eine Mitwirkung liegt aber z. B. vor, wenn eine Person für die ausländische Gesellschaft den Vertrieb übernimmt oder den Vertretereinsatz leitet.
    • Ausdrücklich als unschädlich wird außerdem eine handelsübliche Tätigkeit als Zulieferer wie die unmittelbare Auslieferung durch den Hersteller oder die Sicherstellung zeitlicher Liefervorgaben durch die Abnehmer angesehen. Zwar fand sich auch im AEAStG 2004 eine solche Passage; nach dem o. g. Entwurf aus dem Sommer 2023 sollte diese Aussage jedoch entfallen.
    • Begrüßenswert ist schließlich, dass nach dem AEAStG im reinen Zurverfügungstellen von Rechenkapazitäten keine schädliche Mitwirkung besteht, soweit es sich nicht um den oder einen wesentlichen Geschäftsbereich der Auslandsgesellschaft handelt, und dass dasselbe für die Nutzungsüberlassung einer digitalen Plattform (z. B. App) an die Auslandsgesellschaft gegen Gebühr gelten soll.
  • Eigentlich der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegende Einkünfte einer EU-/EWR-Gesellschaft werden von dieser Besteuerung ausgenommen, wenn die Gesellschaft die Bedingungen des sog. Substanztests erfüllt. Der Erlass erläutert die nach wie vor sehr restriktive Verwaltungssicht. Wichtige Ausführungen werden inhaltlich unverändert aus dem bisher gesonderten BMF-Schreiben vom 17.03.2021 übernommen, z. T. werden die verwaltungsseitigen Anforderungen an den Substanztest sogar noch verschärft. So soll etwa das Outsourcing der wesentlichen wirtschaftlichen Aktivitäten der Auslandsgesellschaft auf fremde Dritte schädlich sein, wenngleich die Verwaltung immerhin ein Outsourcing auf nahestehende Personen in demselben Staat oder die Verwaltung von Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds durch eine Verwaltungsgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 14 KAGB) aus demselben Staat als unschädlich einstuft.
  • Wesentliche neue Ausführungen zur Niedrigbesteuerung enthält der Erlass nicht. Noch nicht berücksichtigt ist im Erlass zudem, dass es infolge des Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes zu einer Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze von bislang 25 % auf 15 % erstmals für Wirtschaftsjahre der Zwischengesellschaft (oder Betriebsstätte), die nach dem 31.12.2023 enden, kommt.
  • Im Erlass spiegeln sich weiterhin die gesetzlichen Neuerungen bei der Technik der Hinzurechnungsbesteuerung ab 2022 (z. B. Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags, Hinzurechnung bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften, Kürzungen und Anrechnung von Steuern) mit umfangreichen Ausführungen wider: So wird z. B. ausdrücklich klargestellt, dass die Zwischeneinkünfte nach deutschem Steuerrecht inkl. Anwendung der Zins- und Lizenzschranke, der Regelungen zu Besteuerungsinkongruenzen etc. zu ermitteln sind, was ggf. zu einer erheblichen Komplexität der Gewinnermittlung führen kann. Weiterhin soll z. B. beim Übergang von der (bis 2021 ggf. zulässigen) Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur (seit 2022 zwingenden) Bilanzierung keine Verteilung eines Übergangsgewinns möglich sein, was zu einem ggf. erheblichen Hinzurechnungsbetrag im Übergangsjahr führt.
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