Erscheinungsdatum 05.11.2023
von StB Steffen Zipperling

Dividendenerträge oder Gewinnausschüttungen, die eine Kapitalgesellschaft aus ihrer Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft bezieht, sind grundsätzlich von der Körperschaftsteuer befreit. Dieses Freistellungsverfahren soll sicherstellen, dass die auf der untersten Beteiligungsebene operativ erwirtschafteten Gewinne nicht mehrfach auf sämtlichen Beteiligungsstufen der Besteuerung unterliegen. Voraussetzung für die Freistellung ist allerdings, dass die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres, in dem die Dividenden bezogen werden, mindestens 10% des Grund- oder Stammkapitals beträgt. Wird dieser Beteiligungsumfang nicht erreicht, werden die daraus bezogenen Ausschüttungen als sog. Streubesitzdividenden ohne Anwendung der Steuerbefreiung der laufenden Besteuerung unterzogen (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG).

Sachverhalt: Verspätete Kaufpreiszahlung aufgrund Bankenfehler 

In einem kürzlich vom BFH behandelten Streitfall war die klagende GmbH im Jahr 2013 mit einer Beteiligung von knapp unter 10% an einer AG beteiligt. Ab dem Jahr 2014 wollte die GmbH die zu erwartenden Dividendenerträge steuerfrei beziehen und stockte daher ihre Beteiligung an der AG auf knapp über 10% auf, indem sie die fehlenden Aktien mit Vertrag vom 16.12.2013 von einem weiteren Aktionär kaufte. Die AG stimmte der Übertragung der Aktien am 19.12.2013 zu. Allerdings stand die Wirksamkeit des Kaufvertrags unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung. Die Überweisung des Kaufpreises durch die GmbH erfolgte zwar bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 16.12.2013. Aufgrund eines Bankenfehlers erfolgte die Gutschrift auf dem Konto des Verkäufers aber erst nach dem 1.1.2014.

Abweichend von der Behandlung durch die GmbH gewährte das Finanzamt die Steuerbefreiung auf die im Jahr 2014 zugeflossenen Dividendenerträge nicht. Denn nach Ansicht des Finanzamts lagen Streubesitzdividenden vor, weil die GmbH zu Beginn des Jahres 2014 nicht zu mindestens 10% unmittelbar an der AG beteiligt gewesen sei.

Entscheidend ist das wirtschaftliche Eigentum

Infolge der verspäteten Kaufpreiszahlung hatte die GmbH zu Beginn des Jahres 2014 zwar noch nicht das zivilrechtliche Eigentum an den hinzugekauften Aktien erlangt. Entgegen der Auffassung des Finanzamts entschied jedoch der BFH mit Urteil vom 7.6.2023 (Az.: I R 50/19), dass es für die Frage des Beteiligungsumfangs zu Beginn des Jahres nicht auf das zivilrechtliche Eigentum, sondern auf das wirtschaftliche Eigentum ankommt. Danach ist ein Wirtschaftsgut demjenigen zuzurechnen, der die tatsächliche Herrschaft über dieses Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den (zivilrechtlichen) Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. 

Dies sah der BFH im vorliegenden Fall als erfüllt an. Denn bereits aus dem Gesetz (§ 20 Abs. 5 EStG) ergebe sich, dass Anteilseigner derjenige sei, dem die Anteile nach den Grundsätzen des wirtschaftlichen Eigentums zuzurechnen sind. Ferner stand der GmbH nach Abschluss des Kaufvertrags ein Anwartschaftsrecht zu und der Verkäufer hätte auch nicht ohne weiteres vom Vertrag zurücktreten können. 

Hinweis: Die Argumentation des Finanzamts, dass die Zurechnung der Anteile auf der Grundlage des wirtschaftlichen Eigentums vorliegend nicht maßgeblich sein könne, weil der Tatbestand zur Annahme von Streubesitz an zivilrechtliche Begriffe wie Grund- oder Stammkapital anknüpfe, wies der BFH zurück.

Empfehlung: Zur Vermeidung von steuerpflichtigen Streubesitzdividenden besteht auch die Möglichkeit eines unterjährigen Hinzuerwerbs, der nach § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt gilt, wenn die hinzuerworbene Beteiligung mindestens einen Umfang von 10% des Grund- bzw. Stammkapitals beträgt.

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