Blogbeitrag
Erscheinungsdatum 09.04.2024

Das Wachstumschancengesetz enthält zahlreiche Einzelmaßnahmen aus den unterschiedlichsten Bereichen (zu einem Überblick über ausgewählte Maßnahmen vgl. unseren entsprechenden Blogbeitrag). Unter anderem hat der deutsche Steuergesetzgeber mit erstmaliger Wirkung für das Jahr 2024 zwei spezielle Verrechnungspreisvorschriften für Finanzierungstransaktionen eingeführt.

Inbound-Finanzierungsbeziehungen (§ 1 Abs. 3d AStG)

Regelung

Nach § 1 Abs. 3d AStG entspricht es nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, wenn ein Aufwand aus einer grenzüberschreitenden, gruppeninternen Finanzierungsbeziehung die (deutschen) Einkünfte des Steuerpflichtigen mindert und zusätzlich

  • Bedingung 1: der Steuerpflichtige nicht glaubhaft machen kann, dass er (a) den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit dieser Finanzierungsbeziehung von Anfang an hätte erbringen können und dass er (b) die Finanzierung benötigt sowie für den Unternehmenszweck verwendet (Finanzierungsbedarf).

oder

  • Bedingung 2: soweit der zu entrichtende Zinssatz denjenigen Zinssatz übersteigt, zu dem sich das Unternehmen unter Zugrundelegung des Gruppenratings finanzieren könnte. Wird nachgewiesen, dass ein aus dem Gruppenrating abgeleitetes Einzelrating dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, ist dieses Einzelrating maßgeblich.

Die Regelung gilt dabei nicht nur für Darlehen im klassischen Sinn, sondern auch für andere Finanzierungsbeziehungen in Gestalt der Nutzung und Bereitstellung von Fremdkapital oder fremdkapitalähnlichen Instrumenten. 1

Anmerkungen

Die (vollständige) Geltendmachung von Zinsaufwendungen auf Inbound-Gruppendarlehen wird ab 2024 unter dem Gesichtspunkt der Verrechnungspreise auch für bereits seit langem bestehende Finanzierungsbeziehungen gesetzlich eingeschränkt. Die Regelung ähnelt dabei zwar auf den ersten Blick den Ausführungen in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien, so dass keine besondere Relevanz anzunehmen wäre, wenn das Gesetz nur den ohnehin anwendbaren Fremdvergleichsgrundsatz, wie er sich in den OECD-Richtlinien niederschlägt, wiedergeben würde. 

Schon aufgrund der Einführung neuer/eigener Begrifflichkeiten in das deutsche Steuergesetz kann jedoch nicht sicher davon ausgegangen werden, dass tatsächlich Deckungsgleichheit besteht. Kann zudem nicht für den gesamten Finanzierungsbetrag die Schuldentragfähigkeit ex tunc glaubhaft gemacht werden, so steht nach dem Gesetzeswortlaut die vollständige Versagung des steuerlichen Aufwandsabzugs zu befürchten, während die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (sog. OECD-Richtlinien) u.U. auch eine teilweise Anerkennung ermöglichen, wenn der Kapitaldienst für einen Teilbetrag gesichert ist (OECD-Richtlinien 2022, Ziffer 10.13).

Soweit künftig grundsätzlich auf das Gruppenrating, d.h. das Rating der Konzernmuttergesellschaft, abzustellen sein soll, so unterstellt der Gesetzgeber hiermit im Endeffekt einen (vollständigen) impliziten Konzernrückhalt zugunsten des inländischen Kreditnehmers. Ist hingegen nur eingeschränkt oder gar nicht damit zu rechnen, dass das kreditnehmende inländische Konzernunternehmen von der Konzernspitze in der Krise gestützt würde, kann es nach Auffassung der OECD angemessen sein, den Kreditnehmer auf Basis seines Einzelratings (sog. stand-alone-Ratings) zu beurteilen (OECD-Richtlinien 2022, Ziffer 10.76 ff.). Dass nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich auf das Konzernrating abzustellen sein soll, steht jedoch im Widerspruch zur Auffassung des BFH (Urteil vom 18.05.2021, I R 4/17), wonach unter bisherigem Recht das stand-alone-Rating des Darlehensnehmers vorrangig ist.

Handlungsempfehlungen

  1. Sollen ab 2024 verrechnungspreisbedingten Einschränkungen bei der Anerkennung von Aufwand für Inbound-Finanzierungen vermieden werden, sind auch bei bereits bestehenden gruppeninternen Finanzierungsbeziehungen die Anforderungen zu berücksichtigen, die sich aus den neuen gesetzlichen Regeln ergeben. 

  2. Soweit nicht bereits zu Beginn der jeweiligen Finanzierungsbeziehung eine ex-tunc-Prognose der Schuldentragfähigkeit aufgestellt wurde, sollte diese Prognose nach bestem Wissen und Gewissen unter Zugrundelegung der damaligen Verhältnisse und des damaligen Wissensstands nun nachträglich erstellt werden (Stichtagsprinzip). Besonderer Beachtung bedarf dabei erfahrungsgemäß die Antwort auf die Frage nach der Verfügbarkeit ggf. nötiger Anschluss-/Ersatzfinanzierungen. 
    Sollte sich die Schuldentragfähigkeit nach Eingehung der Finanzierungsbeziehung verschlechtert haben, so hindert das grundsätzlich nicht ihre Anerkennung. Es ist jedoch unter Berücksichtigung der Finanzierungsbedingungen (z.B. Sonderkündigungsrechte bei Verletzung bestimmter Kennzahlen o.ä.) zu prüfen, welche Maßnahmen fremde Dritte als Darlehensgeber in einem solchen Fall ergriffen hätten.

  3. Ebenso ist glaubhaft zu machen, dass die Finanzierung benötigt und in Übereinstimmung mit dem Unternehmenszweck verwendet wird. Diese Anforderungen sind nicht nur zu Beginn der Finanzierungsbeziehung zu erfüllen; vielmehr fließt auch in die Beurteilung ein, inwieweit z.B. während der Darlehenslaufzeit entstandene Überschussliquidität zu Tilgungszwecken verwendet wird.

  4. Dem inländischen Steuerpflichtigen wird schließlich gleich in zweifacher Hinsicht eine erhöhte Arbeitsbelastung auferlegt, wenn er vom Konzernrating abweichen will: Zum einen muss er zunächst das Konzernrating ermitteln und anschließend daraus das Einzelrating des Darlehensnehmers ableiten; eine „freie“ Ermittlung des Einzelratings scheidet hingegen aus. Zum anderen muss er den Nachweis führen, dass nicht das Konzern-, sondern das Einzelrating im konkreten Einzelfall dem Fremdvergleich entspricht.

Weiterleitung/Vermittlung von Finanzierungsbeziehungen, Finanzmittelsteuerung und Finanzierungsgesellschaften (§ 1 Abs. 3e AStG)

Regelung

Vorbehaltlich eines gegenteiligen Nachweises anhand einer Funktions- und Risikoanalyse stellt es regelmäßig eine funktions-/risikoarmen Dienstleistung dar, wenn 

  • eine Finanzierungsbeziehung von einem Unternehmen gegenüber einem anderen Unternehmen innerhalb der Unternehmensgruppe vermittelt bzw. weitergeleitet wird

oder

  •  wenn ein Unternehmen in der Unternehmensgruppe für ein oder mehrere Unternehmen dieser Gruppe die Steuerung von Finanzmitteln übernimmt oder als Finanzierungsgesellschaft agiert.

Anmerkungen

Vielfach wird bei funktions-/risikoarmen Routine-Dienstleistungen der angemessene Verrechnungspreis nach der Kostenaufschlagsmethode bestimmt werden, so dass in diesen Fällen zumindest der Streit mit der Finanzverwaltung um die richtige Verrechnungspreismethode häufig der Vergangenheit angehören dürfte. Auch schon bisher wendete die Finanzverwaltung allerdings die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien an, in denen prinzipiell vergleichbare Grundsätze verankert sind (vgl. die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 sowie unseren zugehörigen Blogbeitrag). 

Handlungsempfehlungen

  1. Auch die nunmehrigen gesetzlichen Regeln zur Weiterleitung bzw. Vermittlung von Finanzierungsbeziehungen, zu Treasuryleistungen und Finanzierungsgesellschaften gelten ohne Übergangsregelung ab 2024 auch für bereits vorher vereinbarte Geschäftsbeziehungen. Dies kann eine Überprüfung und ggf. Neubestimmung des angemessenen Entgelts unter Beachtung der erwähnten Regeln nötig werden lassen.

  2. Sofern der Steuerpflichtige die erwähnten Geschäftsbeziehungen nicht als Routinedienstleistungen im o.g. Sinn abwickelt, wird spätestens ab 2024 dem detaillierten Nachweis der ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken sowie eingesetzten Vermögenswerte erhebliche Bedeutung zukommen. Unternehmen dürften daher regelmäßig gut beraten sein, ihr Augenmerk auf die entsprechende Dokumentation zu richten.


1 In den weiteren Ausführungen in diesem Blogbeitrag wird dennoch vereinfachend nur von Krediten bzw. Darlehen gesprochen.

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