28.02.2023 / Artikel aus PKF Nachrichten 03/2023
von StBin Merle Schulte

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (JStG) sind auch Änderungen des Bewertungsgesetzes (BewG) in Kraft getreten. Die neuen Regelungen gelten für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022. Nachfolgend wird analysiert, ob die Erbschaftsteuer durch eine Anhebung der Grundstückswerte ,,verdeckt‘‘ erhöht worden sein könnte.

Bewertungsrechtliche Änderungen durch das Jahressteuergesetz

Während im Rahmen des JStG 2022 geplante Steuererleichterungen bereits früh medial verbreitet wurden, war es um die Änderungen im BewG lange ruhig. Erst kurz vor Inkrafttreten der Änderungen wurde diskutiert, ob diese zu erheblich höheren Steuerzahlungen führen könnten. Dabei kann die für diese Gefahr ursächliche höhere Immobilienbewertung alle Grundstücksarten betreffen. Als insoweit wichtige BewG-Änderungen sind folgende zu nennen (anzuwenden für alle Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022):

  • Die Gesamtnutzungsdauer von Wohnimmobilien wurde von 70 auf 80 Jahre erhöht. 
  • Im Ertragswertverfahren werden Bewirtschaftungskosten nicht mehr pauschaliert auf der Basis eines Prozentsatzes der Jahresmiete angesetzt, vielmehr wird eine differenzierte Ermittlung vorgenommen.
  • Die den Gebäudewert mindernden Liegenschaftszinssätze (vgl. § 188 BewG) wurden herabgesetzt.
  • Im Sachwertverfahren sind Regionalsachwertfaktoren eingeführt worden, die von Gutachterausschüssen bekanntzugeben sind.
  • Das Bewertungsverfahren für Erbbaurechte hat eine neue Grundlage erhalten, Gebäude auf fremdem Grund und Boden werden künftig analog behandelt.

Verdeckte Erbschaftsteuererhöhung?

Es fragt sich, ob im Zusammenhang mit den Änderungen im BewG infolge der angepassten Bewertungsparameter faktisch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer droht. Die Höhe der Erbschaftsteuer ist neben der Höhe des persönlichen Steuersatzes im Wesentlichen vom Wert des Nachlasses abhängig. Fällt ein Grundstück in die Erbschafts- oder Schenkungsmasse, ist dessen Wert nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden BewG festzustellen. So haben sämtliche Änderungen des BewG mittelbar Auswirkungen auf die festzusetzende Erbschaftsteuer.

Allerdings gibt es für eine Vielzahl von Städten und Gemeinden einen Anwendungsvorrang für von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Liegenschaftszinssätze und Sachwertfaktoren, die die zuständigen Gutachterausschüsse bereits seit vielen Jahren veröffentlichen. Die Liegenschaftszinssätze der Gutachterausschüsse lagen i.d.R. bereits deutlich unterhalb – und damit werterhöhend – der gesetzlich normierten Liegenschaftszinssätze. Obwohl Letztere nunmehr nach unten angepassten wurden, liegen sie teils immer noch deutlich oberhalb der von den Gutachterausschüssen bekanntgegebenen Liegenschaftszinssätze. 

Auch Sachwertfaktoren werden für Ein- und Zweifamilienhäuser regelmäßig durch die zuständigen Gutachterausschüsse bekanntgegeben. Wann erstmalig Regionalfaktoren bekanntgegeben werden, ist noch völlig unklar. 

Daneben gilt es zu beachten, dass für Ein- und Zweifamilienhäuser vorrangig das Vergleichswertverfahren anzuwenden ist. Liegen Vergleichswerte oder Vergleichsfaktoren vor, kommen das Sachwertverfahren gem. BewG und folglich die Sachwertfaktoren – ebenso wie die geänderte Nutzungsdauer – nicht zur Anwendung. Vergleichswerte werden aufgrund von Grundstücksverkäufen gleicher Art ermittelt und von den Gutachterausschüssen zur Verfügung gestellt. 

Es wird sich demnach erst zukünftig herausstellen, ob die geänderten Parameter zu höheren Ansätzen der Grundstückswerte führen bzw. ob aufgrund des Anwendungsvorrangs der von den Gutachterausschüssen bereitgestellten Daten die ,,Ersatzgrößen‘‘ des BewG überhaupt Auswirkungen haben werden. 

Fazit: In den Augen vieler Steuerzahler werden die Änderungen sicher überwiegend kritisch betrachtet, weil die Steuerpflichtigen die Gefahr sehen, Ihren Besitz nicht steuerfrei auf die nächste Generation übertragen zu können. Letztlich sollte jedoch das Ziel des BewG, einen gemeinen Wert (Verkehrswert) des Grundstücks zu ermitteln, um die Bereicherung des Erwerbers – mithin die Steigerung der Leistungsfähigkeit – zu besteuern, Beachtung finden. In diesem Kontext ist auch festzuhalten, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, mit den angestrebten Änderungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich einer realitätsgerechten Bewertung Rechnung zu tragen.

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