Blogbeitrag
18.11.2024

Weekly Tax Insight

von
Aleksandre Tedoradze

In einem aktuell bekanntgewordenen Fall (BFH vom 5. Juni 2024, Az.: I R 32/20) hatte der BFH über die Gewerbesteuer bei einer deutschen Kommanditgesellschaft mit Betriebsstätten in Deutschland und den Niederlanden zu urteilen. Relevant waren dabei sowohl abkommensrechtliche Fragen (u. a. nach der abkommensrechtlichen Beschränkung nationaler Besteuerungsansprüche) als auch die konkrete Ausgestaltung der gewerbesteuerlichen Kürzung des Gewinns aus ausländischen Betriebsstätten. Das Urteil ist von Bedeutung, weil der BFH in ihm die abkommensrechtliche Behandlung von Gewinnen aus Personengesellschaften analysiert, einmal mehr das Verhältnis von Abkommensrecht und originär nationalem Recht thematisiert sowie schließlich zur Betriebsstättengewinnermittlung Stellung bezieht.

Der Fall 

Eine deutsche KG hatte als Gesellschafter ausschließlich GmbHs mit statutarischem Sitz in Deutschland; der Ort der Geschäftsleitung dieser Gesellschafter war offenbar noch nicht ermittelt. Die KG errichtete auf eigenen inländischen Grundstücken Wohnbauten und verkaufte anschließend diese Immobilien; zum Teil errichtete sie aber auch auf fremden inländischen Grundstücken Gebäude als Generalunternehmerin. Die Geschäftsleitung der KG und die wesentlichen Planungsprozesse erfolgten von den Niederlanden aus; in Deutschland hatte die KG nur eine Korrespondenzadresse sowie ihre o.g. Grundstücke und Baustellen, auf denen sie je ein Bauleiter und ein Polier beschäftigte.

Im Rahmen einer gemeinsamen Außenprüfung (Joint Audit) kamen die niederländische und die deutsche Steuerverwaltung zu folgendem Ergebnis:

 

Kategorie

erst Errichtung von Gebäuden auf eigenem Grund und Boden, dann Verkauf der Immobilie

Errichtung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden mit einer Dauer des Bauprojekts von

  

≤ 12 Monaten

> 12 Monaten

Besteuerung

100% in Deutschland

100% in den Niederlanden

80% in den Niederlanden, 20% in Deutschland

 

  • Soweit es um die eigenen Grundstücke ging, unterstellte die Finanzverwaltung möglicherweise Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i. S. d. (alten) DBA-Niederlande.
  • Soweit es um die Gebäude auf fremdem Grund und Boden ging, wurde offensichtlich bei einer Bauprojektlänge bis zu 12 Monaten unter Rückgriff auf das (alte) DBA-Niederlande eine inländische Betriebsstätte verneint, während bei längeren Bauprojekten möglicherweise eine pauschale Gewinnaufteilung zwischen der ausländischen Geschäftsleitungs-/Planungs-Betriebsstätte und der deutschen Bauausführungsbetriebsstätte im Verhältnis 80:20 angenommen wurde.

Die deutsche Finanzverwaltung setzte auf die danach der deutschen Besteuerung unterfallenden Gewinnanteile auch jeweils Gewerbesteuer fest.

in ihrer hiergegen gerichteten Klage wollte die KG eine geringere Gewerbesteuerlast erreichen. Das Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 28. Mai 2020, Az.: 9 K 1904/18) urteilte daraufhin, dass nach § 9 Nr. 3 GewStG ein Drittel des Gewinns aus Gewerbebetrieb gekürzt werden müsse.

Die Entscheidung

Der BFH stellt in seinem Urteil einerseits klar, dass zwar nach dem einschlägigen DBA-Niederlande nur die Gesellschafter der KG abkommensberechtigte Personen sind, sich die KG als Steuerschuldnerin der Gewerbesteuer auf deren Abkommensberechtigung berufen kann. 

Weiter arbeitet der BFH für die Bauprojekte auf fremdem Grund und Boden die abkommensrechtliche Bedeutung der Entscheidung darüber heraus, ob es sich bei den Gesellschaftern abkommensrechtlich um in den Niederlanden oder in Deutschland ansässige Personen handelt, was sich nach ihrem Ort der Geschäftsleitung richtet: Im ersteren Fall wäre das deutsche Besteuerungsrecht auf die Gewinne aus abkommensrechtlich deutschen Betriebsstätten beschränkt (hierfür gilt z. B. bei Bauausführungen die o. g. Grenze von 12 Monaten). Im letzteren Fall wird das deutsche Besteuerungsrecht abkommensrechtlich hingegen nur insoweit ausgeschlossen, als die Gewinne auf niederländische Betriebsstätten (hier: Stätte der Geschäftsleitung, Bauprojektierung und Beauftragung der Subunternehmer) entfällt.

Für den Fall der Veräußerung KG-eigener Grundstücke nach ihrer Bebauung hält der BFH zwar fest, dass Deutschland unabhängig von der Ansässigkeit der KG-Gesellschafter nach dem DBA-Niederlande ein Besteuerungsrecht zusteht, Deutschland von diesem Besteuerungsrecht nur in den Grenzen seines nationalen Rechts Gebrauch macht: Soweit danach der Gewinn auf die niederländische Betriebsstätte der Geschäftsleitung/Bauprojektierung und Subunternehmerbeauftragung zuzurechnen ist, muss der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 3 GewStG gekürzt werden.

Abschließend weist der BFH darauf hin, dass eine Schätzungsbefugnis nur insoweit bestehe, als vorher in hinreichendem Maße Sachaufklärung betrieben worden sei. Die vom Finanzgericht vorgenommenen Schätzungen seien im Hinblick auf ihre rechtliche Basis und die Abgrenzungskriterien nicht nachvollziehbar. Zudem habe sich das Finanzgericht nicht hinreichend mit den verschiedenen denkbaren Methoden zur Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung befasst, unter denen grundsätzlich die direkte Methode Vorrang genieße. Schließlich sei aber selbst unter Zugrundelegung des vom Finanzgerichts angewandten Maßstabs der Wertschöpfungsbeiträge die pauschale Schätzung ohne Vornahme einer Funktions- und Risikoanalyse nicht nachvollziehbar.

Unsere Beurteilung

Das BFH-Urteil analysiert systematisch überzeugend sowohl die abkommensrechtlichen Regelungen zur Besteuerung von internationalen Personengesellschaften als auch das Verhältnis von Abkommensrecht zum originär innerstaatlichen Steuerrecht. Auch in komplizierten Sachverhalten erteilt das Urteil damit voreilig-pauschalierenden Beurteilungen eine klare Absage. 

Hervorzuheben sind dabei auch die Ausführungen, auf welche Weise die einer in- bzw. ausländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne zu ermitteln sind. Ausdrücklich stellt der BFH in diesem Zusammenhang klar, dass eine selektive, grobe und überschlägige Wertschöpfungsanalyse ohne Vornahme einer Funktions- und Risikoanalyse zur Schätzung der Betriebsstättengewinne ungeeignet ist. Diese Aussagen verdeutlichen einmal mehr die Notwendigkeit einer präzisen rechtlichen und wirtschaftlichen Analyse bei der Besteuerung von Betriebsstättensachverhalten. Alle mit der Besteuerung in- und ausländischer Betriebsstätten Befassten sind daher gut beraten, sich dies zu Herzen zu nehmen.

Der Beitrag wurde gemeinsam mit Dr. Dietrich Jacobs verfasst.

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