Was regelt der § 273a ZPO nF?
„§ 273a Geheimhaltung
Das Gericht kann auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nummer 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sein können; die §§ 16 bis 20 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sind entsprechend anzuwenden.“
Der neue § 273a ZPO ermöglicht es den Parteien eines Zivilprozesses, sensible Informationen, die Geschäftsgeheimnisse darstellen, durch das erkennende Gericht auf Antrag als „geheimhaltungsbedürftig“ einstufen zu lassen. Dies können unter anderem Herstellungsverfahren, Geschäftsstrategien, Kosteninformationen, aber auch Unternehmensdaten sein. Wenn das Gericht dem Antrag stattgibt, sind diese Informationen von der Gegenseite sowie von den weiteren Beteiligten des Verfahrens (u.a. Prozessvertreter, Sachverständige, Zeugen) als vertraulich zu behandeln. Ferner kann das Gericht - ebenfalls auf Antrag - den Zugang zu diesen sensiblen Informationen auf bestimmte Personen zu beschränken. Diese Beschränkungen sind auch bei der Akteneinsicht zugunsten Dritter zu beachten, d.h. die sensiblen Informationen dürfen nicht in der Akte enthalten sein. Die Einschränkungen gelten auch über den Abschluss der Verfahrens hinaus.
Hintergrund für die Einführung des Geschäftsgeheimnisschutzes
Inhaber von Geschäftsgeheimnissen standen im Zivilverfahren oft vor einem Dilemma: Die zivilprozessualen Darlegungs- und Beweislastregeln zwangen dazu, sensible Informationen offen zu legen, was gleichzeitig zum Verlust des Geschäftsgeheimnis führen konnte. Die wesentlichen Grundsätze des Zivilverfahrens, wie die öffentliche Gerichtsverhandlung i.S.d. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und der Beibringungsgrundsatz, standen dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen entgegen.
Zwar gab es bereits mit Inkrafttreten des GeschGehG einen gewissen Schutz für Geschäftsgeheimnisse im Zivilgerichtsverfahren, allerdings nur dann, wenn Geschäftsgeheimnisse selbst den Kern des Verfahrens ausmachten. Hingegen gab es bei Geschäftsgeheimnisse, die nur im Zusammenhang mit einem Zivilgerichtsverfahren offengelegt werden, ohne selbst Gegenstand zu sein, nur den Schutz nach §§ 172 Nr. 2, 173 Abs. 2 Gerichtsverfahrensgesetz (GVG), Danach konnte das erkennende Gericht die Öffentlichkeit aus der mündlichen Verhandlung ausschließen, wenn in dieser Geschäftsgeheimnisse thematisiert wurden. Sensible Informationen, die vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung insbesondere im schriftlichen Verfahren offengelegt, oder solche, die nicht Teil der mündlichen Verhandlung wurden, erfuhren somit bisher keinen Schutz. Zudem bestand weder ein Anspruch auf Schutz, noch wurden alle Geschäftsgeheimnisse erfasst, sondern nur solche, die vom erkennenden Gericht als „wichtig“ eingestuft wurden.
Wesentliche Neuerungen im Überblick
Nach § 273a ZPO kann das Gericht nach Antrag einer Partei die streitgegenständliche Information ganz oder teilweise geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn es sich um ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nr. 1 GeschGehG handelt. Ein Geschäftsgeheimnis ist anzunehmen, wenn die folgende Voraussetzungen gegeben sind:
Geschäftlicher Bezug: Die Information muss geschäftlichen Bezug haben, wobei Geschäftsinformationen sowie Know-how und technologische Informationen erfasst werden.
Geheimhaltung: Die Information muss geheim, also weder allgemein noch in Teilen allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich sein.
Wirtschaftlicher Wert: Die Information muss einen wirtschaftlichen Wert haben, der mit der Geheimhaltung verknüpft ist. Es reicht aus, wenn es sich für den Inhaber der Information nachteilig auswirken kann, wenn Dritte Kenntnis davon erlangen.
Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen: Die Information wird nur dann zum geschützten Geschäftsgeheimnis, wenn sie Gegenstand von „den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber“ ist. Nicht ausreichend dürfte es sein, dass sich der Inhaber auf eine Geheimhaltung aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht verlässt.
Erfolgt eine solche Einstufung durch das erkennende Gericht, werden die Regelungen des GeschGehG entsprechend im Verfahren angewendet
Die Anwendung des § 273a ZPO gilt in sämtlichen zivilgerichtlichen Verfahren sowie alle Instanzen. Aufgrund von Verweisen wird der Anwendungsbereich auch auf Ehe- und Familienstreitsachen sowie arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren erstreckt.
Bei Verstößen gegen die Geheimhaltungspflicht kann ein Ordnungsgeld bis zu 100.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verhängt werden.
Fazit
Die Einführung des § 273a ZPO stärkt den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Gerichtsverfahren. Für die Praxis wird ein weiterer Baustein geschaffen, um Geschäftsgeheimnisse in Zivilgerichtsverfahren stärker zu schützen. Es bietet sich an, einen entsprechenden Antrag, sollten Geschäftsgeheimnisse betroffen sein, bereits mit Einreichung der Klage bzw. der Klageerwiderung zu stellen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich der § 273a ZPO in der Praxis bewährt und ob dieser ausreicht, um Geschäftsgeheimnisse im Gerichtverfahren effektiv zu schützen.
Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Rechtsberatung, sondern liefert nur einen allgemeinen Überblick über die Regelungen des § 273a ZPO.
Über die Autorin: Ruth Greve ist Rechtsanwältin bei der PKF FASSELT Partnerschaft mbB Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Rechtsanwälte (Mitgliedsunternehmen des PKF-Netzwerkes).