Die Regelung betrifft insbesondere geschlossene Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft, ist aber auch auf vergleichbare Fälle außerhalb einer gemeinschaftlichen Anschaffung anzuwenden. Die Norm soll zudem in allen offenen Fällen - also auch rückwirkend - gelten.
Am 15.11.2024 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) den Entwurf eines BMF-Schreibens zu § 6e EStG veröffentlicht und verschiedene Verbände um Stellungnahmen bis zum 12.12.2024 gebeten. Dies gibt Anlass, die Rechtsnorm und die nunmehr beabsichtigte Auslegung durch die Verwaltung kurz zu beleuchten.
Überblick
Haben die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit (oder in vergleichbaren Konstellationen außerhalb einer gemeinschaftlichen Anschaffung) keine wesentlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das Vertragswerk, zählen zu den Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter über die handelsrechtlichen Anschaffungskosten hinaus auch
- alle Aufwendungen, die auf den Erwerb der Wirtschaftsgüter gerichtet sind,
- alle Aufwendungen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts in der Investitionsphase
- die Haftungs- und Geschäftsführungsvergütungen für Komplementäre, Geschäftsführungsvergütungen bei schuldrechtlichem Leistungsaustausch und Vergütungen für Treuhandkommanditisten, soweit sie auf die Investitionsphase entfallen.
Diese Regelung gilt für Wirtschaftsgüter, die nicht angeschafft, sondern hergestellt werden, entsprechend.
Einordnung
Die gesetzliche Regelung knüpft an auf § 42 AO gestützte Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil vom 14.04.2011, Az. IV R 8/10) sowie Verwaltungsanweisungen (z.B. sog. „5. Bauherrenerlass“ - BMF vom 20.10.2003, BStBl. I 2003, S. 546 bzw. sog. „Medienerlass“ - BMF vom 23.02.2001, BStBl. I 2001, S. 175) an, nach der bei vorformulierten Vertragswerken ohne die Möglichkeit zur wesentlichen Einflussnahme durch Anleger Anschaffungskosten statt Betriebsausgaben bzw. Werbungkosten vorliegen. Der BFH (Urteil vom 26.4.2018, Az. IV R 33/15) hatte jedoch entschieden, dass seit Einführung des § 15b EStG für diese Sichtweise kein Raum mehr sei. Daraufhin hatte der Gesetzgeber 2019 mit der Einführung des § 6e EStG diese Rechtsprechung im Sinne eines Nichtanwendungsgesetzes überschrieben.
Wesentliche Einflussnahmemöglichkeiten
§ 6e EStG greift nur, wenn die Anleger keine wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten besitzen. Der Erlassentwurf stellt in diesem Zusammenhang zunächst dar, dass ein wesentliche Einflussnahmemöglichkeit der Investoren nur vorliegt, wenn sie rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, wesentliche Teile des Konzepts zu verändern. Dafür sollen sie über Mitwirkungsrechte verfügen müssen, welche über die für die Anerkennung der Mitunternehmerinitiative geforderten Voraussetzungen hinausgehen. Gemeint ist damit offenbar, dass die gesetzlichen Kontroll- und Widerspruchsrechte für Kommanditisten nicht ausreichend sind. Zudem soll eine Vertretung durch konzeptionell vorbestimmte Dritte (Treuhänder, Beiräte) nicht ausreichen. Bei Beiräten soll zudem von keiner wesentlichen Einflussnahmemöglichkeit der Anleger ausgegangen werden, wenn
- einem von den Gesellschaftern aus ihrer Mitte bestimmten Beirat der Projektanbieter oder Personen aus dessen Umfeld angehören oder
- über die Einrichtung und Zusammensetzung eines Beirats (auch) andere Personen als die Gesellschafter entscheiden oder
- über die Einrichtung und Zusammensetzung eines Beirats die Gesellschafter entscheiden, bevor mindestens 50% des zugesagten Kapitals eingezahlt sind.
Umfang der Fondsetablierungskosten
Als Fondsetablierungskosten will die Finanzverwaltung grundsätzlich alle „Weichkosten“ wie z.B. Abschlussgebühren, Agio, Beratungs-/Bearbeitungsgebühren, Finanzierungsvermittlungsgebühren etc. erfassen. Daneben sollen auch Management Fees für Komplementäre oder bei schuldrechtlichem Leistungsaustausch für Treuhandkommanditisten während der Investitionsphase fallen. Nach dem Erlassentwurf soll das auch dann geltend, wenn die Gebühren gesellschaftsrechtlich als Gewinnvorab ausgestaltet sind. Zudem ist die Regelung vorgesehen, dass die Investitionsphase von den ersten Planungs- und Vorbereitungshandlungen regelmäßig
- bei Ein-Objekt-Gesellschaften: bis zum Erreichen der Betriebsbereitschaft
- bei Anschaffung mehrerer Wirtschaftsgüter: bis zur Betriebsbereitschaft aller Wirtschaftsgüter bzw. bei mehrjähriger Investitionstätigkeit bis zu dem Zeitpunkt, in dem 80% des Investitionsvolumens erstmals für Investitionen in Wirtschaftsgüter verwendet wurden. Die nicht unmittelbar einem einzelnen Wirtschaftsgut zuzuordnenden Aufwendungen sollen dabei nach dem Verhältnis der unmittelbar den Wirtschaftsgütern zuzurechnenden Anschaffungskosten der im jeweiligen Jahr angeschafften Wirtschaftsgüter verteilt werden.
Unsere Einschätzung
Dass die Finanzverwaltung mit dem geplanten Erlass praktische Rechtsanwendungssicherheit schaffen will, ist zu begrüßen, und ebenso, dass das BMF verschiedenen Verbänden vorab Gelegenheit zur Stellungnahme auf diesem Rechtsgebiet gibt. Positiv hervorzuheben ist zudem, dass der Erlass die Grundsätze des BFH-Urteils vom 14.11.1989 (Az. IX R 197/84, BStBl. II 1990, S. 299) für die Abgrenzung zwischen Anschaffungskosten einerseits und Betriebsausgaben/Werbungskosten andererseits übernimmt und auch für Fälle der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausführliche Hinweise enthält.
In verschiedenen Punkten erscheint die geplante Verwaltungsanweisung gleichwohl fragwürdig. Dies gilt sowohl in Bezug auf die erwähnten Regelungen zu den Beiräten als auch in Bezug auf die Investitionsphase bei anderen als Ein-Objekt-Gesellschaften. Daneben betrifft die Kritik aber auch z.B. die geplante Miterfassung von Vorabgewinnen für Managementleistungen in der Investitionsphase (s.o.), denn nach dem klaren Wortlaut erfasst das Gesetz nur „Geschäftsführungsvergütungen bei schuldrechtlichem Leistungsaustausch“.
Schließlich soll das künftige Schreiben - ebenso wie § 6e EStG - auf alle offenen Fälle und damit auch rückwirkend angewendet werden. Zwar sahen das FG Münster vom 24.01.2024 (Az. 12 K 357/18 F) und das FG Hamburg vom 21.02.2024 (Az. 6 K 27/22) bislang keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung des § 6e EStG und begründeten dies im Wesentlichen damit, dass der Gesetzgeber die bislang geltende Rechtslage kodifiziert habe. Die weitere Entwicklung bleibt gleichwohl abzuwarten, u.a. zumal gegen die Entscheidung das Urteil des FG Hamburg Revision beim BFH anhängig ist (Az.: IX R 13/24). Zumindest für die Zeit zwischen der Veröffentlichung des o.g. BFH-Urteils vom 26.04.2018 am 11.07.2018 und bis zu der sich verfestigenden gesetzlichen (Neu-)Regelung im Jahr 2019 könnte es sich durchaus um eine unzulässige echte Rückwirkung handeln.