Gegenwärtige gesetzliche Regeln
Bereits 2022 hatte der Steuergesetzgeber eine Verschärfung der Pflichten zur Vorlage von Verrechnungspreisdokumentationen beschlossen. Diese Verschärfung betrifft zwei Fälle:
Ab 2025 angeordnete Betriebsprüfungen
In Fällen, in denen nach dem 31.12.2024 eine Prüfungsanordnung ergeht, sind Verrechnungspreisdokumentationen ohne besondere Aufforderung innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen.
Ab 2025 enstehende Steuern
Sollte bislang eine Finanzbehörde die Vorlage der Verrechnungspreisdokumentation in der Regel nur für die Durchführung einer Außenprüfung verlangen, so ändert sich auch dies ab 1.1.2025 für die Fälle, in denen die Steuern nach dem 31.12.2024 entstehen: Künftig darf die Finanzverwaltung die Vorlage jederzeit verlangen, muss allerdings eine Vorlagefrist von 30 Tagen gewähren.
Weitere Anpassungen?
Mit seiner Abstimmung über den Gesetzentwurf zum „Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV)“ hat der Bundestag am 26.9.2024, folgende Anpassungen beschlossen, welche die beschrieben Rechtslage mit Wirkung ab 1.1.2025 modifizieren soll.
Erweiterung des Pflichtinhalts des Local Files
In der landesspezifischen, unternehmensbezogenen Dokumentation (sog. „Local File“) muss neben der bisher vorgesehenen Sachverhalts- und der Angemessenheitsdokumentation ausdrücklich auch eine Übersicht über die Geschäftsvorfälle (sog. Transaktionsmatrix) enthalten sein, in welcher nach der Gesetzesbegründung folgende Elemente anzugeben sind:
- Gegenstand und Art der Geschäftsvorfälle,
- an den Geschäftsvorfällen Beteiligte,
- Volumen und Entgelt,
- vertragliche Grundlage,
- angewandte Verrechnungspreismethode,
- betroffene Steuerhoheitsgebiete sowie
- ob die Geschäftsvorfälle im betreffenden Steuerhoheitsgebiet nicht der Regelbesteuerung unterliegen.
Eine Transaktionsmatrix wurde häufig schon bisher in Local Files verwendet, um die gesetzliche geforderte Übersicht über Art/Umfang der Geschäftsbeziehungen sowie die den Geschäftsbeziehungen zugrunde liegenden Verträge und Veränderungen innerhalb des Prüfungszeitraums zu geben (§ 4 Abs. 1 NR. 2 a) GAufzV sowie hierzu BMF „Verwaltungsgrundsätze 2020“, Tz. 43). Die neue Vorschrift will jedoch über die bisher üblichen Daten in einer solchen Transaktionsmatrix stellenweise hinausgehen, wenn etwa Auskunft über die Regelbesteuerung der Geschäftsvorfälle im betreffenden Steuerhoheitsgebiet zu geben sein soll.
Erleichterungen bei den „automatischen“ Vorlagepflichten
Vorgesehen ist, die ohne besondere Aufforderung innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe einer ab dem 1.1.2025 ergangenen Prüfungsanordnung der Finanzverwaltung vorzulegenden Dokumente auf
- die gerade erwähnte Transaktionsmatrix,
- ein Master File sowie
- die Dokumentation über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle
zu beschränken. Der (weitergehende) Inhalt des Local File soll hingegen nur auf besonderes Verlangen innerhalb von 30 Tagen nach Anforderung vorzulegen sein.
Beurteilung und Handlungsempfehlungen
Unter Berücksichtigung des gegenwärtig beschlossenen und verkündeten Gesetzes wäre es in vielen Fällen für die Steuerpflichtigen höchste Zeit, sich auf die kurz bevorstehende erstmalige Anwendung der eingangs erwähnten Regeln einzustellen. Dies betrifft insbesondere den Fall, in dem eine Außenprüfung nach dem Jahreswechsel angeordnet werden könnte, denn die 30-Tagesfrist dürfte auch für mittelständische Unternehmen in den meisten Fällen keine ausreichende Zeit mehr beinhalten, um erst nach Ergehen einer Prüfungsanordnung die Dokumentation zu erstellen.
Zugleich vereinfachen die derzeit geplanten Änderungen (siehe oben) potenzielle die Vorlagepflichten. Die tatsächliche Wirkung steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmt; der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist folglich zu beachten. Selbst wenn die Neuregelung wie geplant in Kraft tritt, dürften sich jedoch nur eingeschränkte Entlastungen ergeben:
- Die geplante Begrenzung der künftigen automatischen Vorlagepflichten beschränkt sich auf ab 2025 angeordnete Betriebsprüfungen und in diesem Rahmen auf andere als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle. Da die Einordnung einer Transaktion als außergewöhnlicher oder aber als normaler Geschäftsvorfall im Einzelfall streitbefangen sein kann und zusätzlich beim Versäumen der einschlägigen Fristen empfindliche Sanktionen drohen, haben sich Unternehmen schon bisher aus Vorsichtsgründen bei der Vorlage im Zweifel an den schärferen Bedingungen für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle orientiert. Eine Fortgeltung dieses Vorgehens ist auch in Zukunft zu erwarten, so dass auch für viele im Endeffekt nicht außergewöhnliche Geschäftsvorfälle eine Vorlage ohne gesonderte Aufforderung innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erfolgen dürfte.
Als einziger Trost bleibt, dass die Verrechnungspreisdokumentationen für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle aufgrund der Verpflichtung zur zeitnahen Erstellung ohnehin bereits vorliegen müssen und auch schon bis 2024 für sie eine Vorlagefrist von 30 Tagen galt, so dass für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle die mit dem Jahreswechsel 2024/2025 eintretende Verschärfung ggf. von praktisch minderer Relevanz sein wird.
- Stets bleibt es jedoch dabei, dass die Verkürzung der Vorlagefristen auf 30 Tage Unternehmen vielfach faktisch dazu zwingen wird, vorsorglich Verrechnungspreisdokumentationen für alle relevanten Geschäftsvorfälle zu erstellen, da ab Ergehen der Prüfungsanordnung jederzeit mit einer gesonderten Anforderung der Dokumentation zu rechnen ist und dann wie erwähnt wohl häufig keine ausreichende Zeit mehr für die Erstellung der Dokumentationen für die gewöhnlichen Geschäftsvorfälle bleibt. Immerhin aber ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Finanzverwaltung gehalten ist, in der Anforderung einer Verrechnungspreisdokumentation die Geschäftsbereiche und die Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen zu bezeichnen, die Gegenstand der Außenprüfung sein sollen und die Art und den Umfang der angeforderten Aufzeichnungen inhaltlich hinreichend zu bestimmen (§ 2 Abs. 6 GAufzV).
Fazit
Die praktische Bürokratieentlastung durch die geplante Entschärfung bei den „automatischen“ Vorlagepflichten für Verrechnungspreisdokumentationen schätzen wir als überschaubar ein. Nach wie vor dürften Unternehmen vielfach gut beraten sein, sich rechtzeitig vor dem Jahreswechsel 2024/2025 insbesondere auf die deutliche Verkürzung der Vorlagefristen für Verrechnungspreisdokumentationen für andere als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle dadurch einzustellen, dass sie in Vorbereitung auf mögliche Betriebsprüfungen vorsorglich solche Dokumentationen erstellen. Von diesem Effekt ist nach unserer Beobachtung vor allem der Mittelstand betroffen, für den die bisherige Vorlagefrist von 60 Tagen ggf. noch ausreichend erschien, um erst nach Anforderung die Dokumentation zu erstellen. Die nunmehrigen 30 Tage-Fristen lassen eine solche Handlungsweise vermutlich ganz überwiegend nicht mehr zu.
Dass ferner Verrechnungspreisdokumentationen für ab 2025 entstehende Steuern von der Finanzverwaltung ausdrücklich auch außerhalb von Betriebsprüfungen jederzeit mit einer Vorlagefrist von 30 Tagen angefordert werden können, hat denselben Effekt. Diese Wirkung wird möglicherweise allerdings erst ab 2026 zu beobachten sein, wenn z.B. bei der Bearbeitung von Veranlagungen für das Jahr 2025 solche Anforderungen seitens des Finanzamts gestellt werden.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass für kleinere Unternehmen sowie Steuerpflichtige mit anderen als Gewinneinkünften die Dokumentationsanforderungen als erfüllt gelten, wenn der Steuerpflichtige fristgemäß Auskünfte erteilt, welche sein ernsthaftes Bemühen belegen, seine Geschäftsbeziehungen unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu gestalten, und er diese Auskünfte auf Anforderung des Finanzamts durch Vorlage vorhandener Unterlagen belegt werden. Nach geltender Rechtslage muss daher bei ab 2025 angeordneten Betriebsprüfungen der Steuerpflichtige ohne besondere Aufforderung dem Finanzamt diese Auskünfte innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung geben. Wenn die erwähnte geplante Gesetzesänderung umgesetzt wird, dürfte diese Pflicht zur Mitteilung ohne gesonderte Aufforderung u.E. unter teleologischen Gesichtspunkten nicht über diejenigen Daten hinausgehen, welche in einer Transaktionsmatrix enthalten wären, oder welche die außergewöhnlichen Geschäftsbeziehungen betreffen.