Nach erster Lesung durch den Landtag fand am 23. Juni 2025 eine öffentliche Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Heimat und Kommunales des Landtags zum Gesetzentwurf (Drs. 18/13836) statt. Die Anhörung zeigte insgesamt eine breite Zustimmung zu den Zielen des Gesetzentwurfs, insbesondere zur Modernisierung und Flexibilisierung des kommunalen Vergaberechts. Es folgt die weitere Beratung und voraussichtlich eine Beschlussempfehlung für das Plenum, bevor in zweiter Lesung im Landtag über den Entwurf abgestimmt wird.
Mit diesem Artikel-Gesetz sollen über die Artikel 1 (§ 75a „Allgemeine Vergabegrundsätze“) in Verbindung mit Artikel 9 (§ 26 Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen – KomHVO) und Artikel 10 (§ 8 Kommunalunternehmensverordnung - KUV) alle landesrechtlichen Vorgaben über Wertgrenzen für kommunale Vergabeverfahren aufgehoben werden. Die nordrhein-westfälischen Kommunen müssen künftig erst ab Erreichen der europäischen Schwellenwerte eine förmliche Ausschreibung durchführen. Damit erhalten die Kommunen künftig vergaberechtlich ebenso viel Handlungsfreiheit wie Gesellschaften, die in ihrem Eigentum stehen oder an denen sie mehrheitlich beteiligt sind. Ein Outsourcing wird damit – jedenfalls vor dem Hintergrund der Nutzung von Vergabefreiheiten unterhalb der EU-Schwellen – nicht mehr erforderlich. Zudem soll auf diese Weise ein erheblicher Beitrag zum Bürokratieabbau geleistet werden.
Die Grenze der eingeräumten vergaberechtlichen Freiheiten für nationale kommunale Vergaben bilden europa-, bundes- und landesrechtliche Vorschriften, wobei insbesondere das EU- Beihilfe-, Haushalts- und Preisrecht sowie andere höherrangige Vorschriften zu beachten sind bzw. unberührt bleiben.
Im Einzelnen ist vorgesehen nach § 75, der die Allgemeinen Haushaltsgrundsätze beinhaltet, die die Kommunen einzuhalten haben und aus denen folgt, dass sie Aufträge nur zu Marktpreisen erteilen dürfen, einen § 75a über „Allgemeine Vergabegrundsätze“ in die Gemeindeordnung (GO) aufzunehmen. Dieser soll in Absatz 1 die Pflicht einer Kommune regeln, die Vergabe öffentlicher Aufträge – vorbehaltlich anderer Rechtsvorschriften – wirtschaftlich, effizient und sparsam unter Beachtung der Grundsätze von Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG und Transparenz zu gestalten. Gemäß § 75a Abs. 2 können die Kommunen per Satzungsbeschluss eigene Vergaberegelungen festlegen.
Mit der Regelung des § 75a in der GO wird als sichergestellt angesehen, dass die Kommunen vergaberechtliche Grundprinzipien einhalten. Als Konsequenz ist § 26 KomHVO aufzuheben, auf dessen Grundlage bisher die ministeriellen Erlasse der Vergabegrundsätze fußten, die den Kommunen im Unterschwellenbereich grundsätzlich bei der Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen die VOB/A (Abschnitt 1) und bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) zur Anwendung vorgaben. Hier fehlt es demnächst an einer verbindlichen haushaltsrechtlichen Vorgabe, so dass eine entsprechende Anwendungspflicht entfällt.
Mit der Einfügung des § 75a in die GO und der Aufhebung des § 26 KomHVO steht die Änderung des § 8 KUV im Zusammenhang, der wie folgt lauten soll:
„Kommunalunternehmen haben Vergaben von öffentlichen Aufträgen vorbehaltlich anderweitiger Rechtsvorschriften wirtschaftlich, effizient und sparsam unter Beachtung der Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz zu gestalten, soweit die Auftragsvergabe der Erfüllung von durch Satzung übertragenen hoheitlichen Aufgaben aus den in § 107 Absatz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen angeführten Bereichen dient. Dies gilt auch bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte nach § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245) in der jeweils geltenden Fassung liegt.“
Es ist vorgesehen, dass die Änderungen zum Vergaberecht in § 75a der GO einschließlich der KomHVO und der KUV am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Die im Wege des Runderlasses vom
28. August 2018, in der letzten Änderungsfassung vom 26. November 2024 (MBl. NRW. 2024 S. 1079), veröffentlichten „Kommunalen Vergabegrundsätze“ sind bis zum 31. Dezember 2025 befristet. Bis zu diesem Zeitpunkt ist ggf. die Notwendigkeit einer Beschaffung zu überdenken.
Auch in anderen Bundesländern sollen die Vergabeprozesse erleichtert werden. So gelten mittlerweile zum Beispiel in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt neue Wertgrenzen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Diese Regelungen betreffen sowohl Liefer-, Dienst- und freiberufliche Leistungen als auch Bauleistungen.
Wann und ob entsprechende Vergabeerleichterungen für die Adressaten der Landeshaushaltsordnung verabschiedet werden, ist noch nicht absehbar. Gleiches gilt auch für Hochschulen, für die gegenwärtig die im Dezember 2023 aktualisierten Vergaberichtlinien für Hochschulen nach § 8 der Hochschulwirtschaftsführungsverordnung einschlägig sind, die auf die UVgO und die VOB/A (1. Abschnitt) verweisen.