In seinem gerade bekannt gewordenen Urteil vom 7.8.2024 (IV R 22/23) hat der BFH die Frage entschieden, ob die Auflösung des Unterschiedsbetrags auch dann in voller Höhe oder aber nur in Höhe von 20% der Gewerbesteuer zu unterwerfen ist, wenn die Auflösung des Unterschiedsbetrags 2009-2018 stattgefunden hat. BFH hat dabei keine Bedenken, die Auflösung des Unterschiedsbetrags in voller Höhe in den Gewerbeertrag einfließen zu lassen.
Der Fall
Für das Schiff eines Schifffahrtsunternehmens wurde per 1.1.2004 ein sog. „Unterschiedsbetrags“ festgestellt, der bei seiner Auflösung (hier: im Jahr 2015) auch in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage einfloss. Für gewerbesteuerliche Zwecke wurde der Unterschiedsbetrag jedoch nach damaliger Rechtslage um 80% gekürzt.
Mit einem Gesetz aus dem Jahr 2019 wurde im Ergebnis angeordnet, dass Auflösung des Unterschiedsbetrags ungekürzt in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Die Anwendungsregelung sieht dabei vor, dass diese Neuerung bereits auf alle Fälle anwendbar sein soll, bei denen die Auflösung 2009 oder später erfolgt. Dementsprechend änderte die Finanzverwaltung die ursprünglichen gewerbesteuerlichen Bescheide.
Die BFH-Entscheidung
Bei der erwähnten gesetzlichen Neuregelung im Jahr 2019 handelt sich nach Auffassung des Gerichts entgegen der gegenteiligen Behauptung in der Gesetzesbegründung um eine (echte) belastende Rückwirkung im Hinblick auf die gewerbesteuerlichen Rechtsfolgen eines bereits 2015 verwirklichten Tatbestands. Eine solche Rückwirkung ist nur in engen Grenzen zulässig.
Der BFH sieht im vorliegenden Fall jedoch die rückwirkende Gesetzesänderung als gerechtfertigt an, weil im Jahr 2015 kein Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die Anwendbarkeit der 80%-Kürzung bestanden habe. Vielmehr habe sich die Anwendbarkeit der 80%-Kürzung erst aus drei rechtsprechungsändernden BFH-Urteilen im Jahr 2018 (und damit nach dem infragestehenden Jahr 2015) ergeben, während nach vorherigen BFH-Urteilen sowie der Auffassung der Finanzverwaltung keine gewerbesteuerliche Kürzung möglich gewesen sei. Der Gesetzgeber habe folglich durch die rückwirkende Gesetzesänderung zulässig nach einer höchstrichterlichen Rechtsprechungsänderung die alte, zuvor einheitlich beurteilte Rechtslage wiederhergestellt; es handele sich hingegen nicht um eine verfassungswidrige Außerkraftsetzung einer missliebigen Rechtsprechung zu einer auslegungsbedürftigen Norm.
Unsere Beurteilung
Bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zum nunmehr in der Hauptsache entschiedenen Fall hatte der BFH (Beschluss vom 15.4.2020, IV B 9/20 (AdV)) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit gesehen. Dass der BFH nunmehr wie dargestellt geurteilt hat, überrascht daher nicht. Es bleibt abzuwarten, ob der Kläger Verfassungsbeschwerde einlegt, und wenn ja, wie dieses Verfahren ausgeht.
Selbst wenn der entschiedene Fall sowie parallel gelagerte Fälle im Übrigen pathologisch erscheinen mögen und damit zunächst nur geringes Interesse hervorrufen: Soweit die Bescheide noch verfahrensrechtlich offen sind, hat das Urteil grundsätzlich Auswirkungen für die vermutlich doch größere Zahl an Fällen, in denen Schiffe zunächst nach dem sog. „Kombi-Modell“ betrieben wurden und dann in der seit Ende der 2000er Jahre bestehenden Schifffahrtskrise aus der Tonnagesteuer heraus verkauft werden mussten. Die nunmehr aus Sicht des BFH feststehende Gewerbesteuerlast mindert dann das Vermögen des Schifffahrtsunternehmens bzw. - wenn, wie im Urteilsfall aus der Insolvenz einer KG heraus veräußert wurde - die Insolvenzmasse. Betroffene Schifffahrtsunternehmen sollten allerdings verfahrensrechtlich darauf achten, dass sie noch von einem positiven Ausgang der ggf. zu erwartenden Verfassungsbeschwerde profitieren können.
Sofern es bei der vom BFH angenommenen Verfassungsmäßigkeit bleibt, könnte man „dem schwärzesten Moment“ ggf. noch etwas Positives abgewinnen: Die hohe Gewerbesteuerbelastung des Unterschiedsbetrags führt über den Mechanismus der sog. Gewerbesteueranrechnung auf die Einkommensteuer prinzipiell zu einer Entlastung der individuellen Anleger. Dies gilt selbst dann, wenn die Gewerbesteuerforderung gegen die Schiffs-KG z.B. mangels Masse nicht durchsetzbar sein sollte. Inwieweit das eine kleine und späte Genugtuung für den Anleger sein könnte, der mit seiner Investition in eine Fonds-KG wirtschaftlichen Schiffbruch erlitten hatte, darf jedoch bezweifelt werden.