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Blogbeitrag
16.05.2025

In einem aktuellen Urteil (BFH vom 25. Januar 2025 ) hat sich der BFH intensiv mit den deutschen einkommensteuerlichen Konsequenzen in Gestalt der sog. erweitert beschränkten Steuerpflicht beschäftigt, die sich nach dem Wegzug ins Ausland ergeben können. Über eine Analyse des Falls und des Urteils selbst (Abschnitte I.-III.) lenken wir Ihren Blick auf damit verbundene sowie weitere Aspekte, die beim Wegzug aus Deutschland in steuerlicher Hinsicht zu bedenken sind.

Der Urteilsfall

Nachdem ein Deutscher lange Jahre aufgrund deutschen Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen war, zog er im Jahr 2000 aus Deutschland nach Großbritannien und gab in diesem Zusammenhang seinen deutschen Wohnsitz auf. In Großbritannien war er in der Folgezeit „ordinarily resident“, was im Wesentlichen an die physische Präsenz und an den Mittelpunkt der Lebensinteressen anknüpft. Er war jedoch nicht in Großbritannien „domiciled“, d.h. verfügte dort nicht über seine Heimat/Wahlheimat. 

Im Jahr 2006 erzielte der Deutsche u.a. Kapitalerträge von einer deutschen Bank. Die Kapitalerträge wurden jedoch nicht nach Großbritannien transferiert. Aufgrund des erwähnten „ordinarily resident, but non-domiciled“-Status konnte der Steuerpflichtige in Bezug auf die erwähnten Kapitaleinkünfte in Großbritannien ein Besteuerungsregime wählen, nach welchem diese Einkünfte dort nur bei Transfer nach Großbritannien der Besteuerung unterlagen (sog. „Remittance base“-Regime), und tat dies auch.

Das deutsche Finanzamt besteuerte daraufhin die erwähnten Kapitaleinkünfte und berief sich dabei auf die Regelungen zu sog. erweitert beschränkten Steuerpflicht (§ 2 AStG). Bei Überschreitung einer Freigrenze bleibt ein deutscher Staatsangehöriger, der

  • innerhalb der letzten zehn Jahren aufgrund deutschen Wohnsitzes / gewöhnlichen Aufenthalts insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war,
  • in einem Gebiet mit niedriger Besteuerung oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist und
  • auch nach seinem Wegzug wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat,

zehn Jahre nach dem Ende des Kalenderjahres, in welchem er seine unbeschränkte Steuerpflicht beendet, in Deutschland mit jenen seiner Einkünfte steuerpflichtig, welche nicht ausländische Einkünfte (i.S.d. § 34d EStG) sind. Als Gebiet mit niedriger Besteuerung gilt dabei ggf. auch ein Gebiet, in dem die steuerliche Belastung durch eine gegenüber der allgemeinen Besteuerung eingeräumten Vorzugsbesteuerung erheblich gemindert sein kann (sog. Vorzugsbesteuerung).

Die erwähnte Ansicht des Finanzamts wurde auch vom FG geteilt. Der Steuerpflichtige wandte sich daher an den Bundesfinanzhof (BFH). Unstreitig war, dass 

  • der Deutsche im o.g. Sinn innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens fünf Jahre lang aufgrund deutschen Wohnsitzes in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen hatte,
  • nach seinem Wegzug wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hatte und
  • die erwähnte Freigrenze für die erweitert beschränkte Steuerpflicht überschritten hatte. 

Der BFH hatte daher im Wesentlichen zu klären, ob das britische Remittance-base-System eine Vorzugsbesteuerung im o.g. Sinn darstellt.  Auf die ebenfalls vom Gericht behandelte und bejahte Frage nach der Verfassungs- und Europarechtskonformität des § 2 AStG gehen wir im Folgenden vereinfachend nicht weiter ein.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BFH schließt sich bei der Beurteilung dieser Frage zunächst der h.M. in der Literatur und der Auffassung der Finanzverwaltung an, wonach eine Vorzugsbesteuerung von besonderen, an die Ansässigkeit anknüpfenden Voraussetzungen abhängig sein, m.a.W. nicht an sachliche, sondern an persönliche Kriterien gebunden sein muss. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht zugleich klar, dass der Vorzug dem Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als Zugezogenem gewährt werden muss, und dass der Vorzug den im Wegzugsstaat lebenden Bürgern dieses Staats nicht zugänglich sein darf. 

Vor diesem Hintergrund stuft der BFH die Remittance-base-Besteuerung in Großbritannien als Vorzugsbesteuerung i.S.d. § 2 AStG ein. Ausschlaggebend ist hierbei, dass dieses Besteuerungsregime keinen Personen zugänglich war, welche in Großbritannien kumuliert über einen „resident“- und einen „domiciled“-Status verfügten, das Regime diskriminiert somit nach dem Grad der Verwurzelung in Großbritannien als einem persönlichen Kriterium. Dass die Remittance-base-Besteuerung hingegen auch Steuerpflichtigen zugänglich war, die im Vereinigten Königreich „domiciled“, aber „not ordinarily resident“ waren, führt für den BFH nicht zu einer anderen Sichtweise, da jedenfalls nicht jeder in Großbritannien ansässige Steuerpflichtige die Remittance-base-Besteuerung wählen konnte.

Weiter weist der BFH darauf hin, dass es für die Annahme einer niedrigen Besteuerung nicht darauf ankommt, ob der Steuerpflichtige tatsächlich von einem steuerlichen Vorzugsregime Gebrauch macht. Solange er die persönlichen Voraussetzungen für dieses Vorzugsregime erfüllt, ist bereits die Möglichkeit einer erheblich geminderten Steuerbelastung ausreichend, es sei denn der Steuerpflichtige weist nach, dass die von ihm zu entrichtende Steuer mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer bei deutscher unbeschränkter Steuerpflicht betragen hätte.

Ob durch ein Steuerregime eine erhebliche Steuerlastminderung möglich ist, entscheidet sich schließlich nach Ansicht des BFH nach einer qualitativen Betrachtung. Jedenfalls ist danach von einer erheblichen Minderung auszugehen, wenn wie im Fall des Remittance-base-Systems bestimmte Teile des nach dem allgemeinen Besteuerungssystem grundsätzlich voll zu versteuernden Einkommens vollständig freigestellt werden. Dabei hält es der BFH für unerheblich, dass die Freistellung durch das Remittance-base-Prinzip nur bis zum Zeitpunkt eines möglichen späteren Transfers der aus den Einkünften stammenden Mittel wirkt, zumal es an Feststellungen der Vorinstanz zu einem solchen evtl. späteren Transfer fehle.

Einordnung und weitergehende Hinweise

Die britische Remittance-base-Besteuerung ist per 5. April 2025 ausgelaufen, so dass das Urteil auf den ersten Blick als nur noch historisch wertvoll eingeschätzt werden könnte. Dies wäre jedoch zu kurz gesprungen:

  • So kennen auch andere Staaten/Gebiete dem Remittance-base-Regime ähnliche Besteuerungssysteme, auf welche die Urteilsgrundsätze angewendet anzuwenden sind.
  • Hilfreich sind zudem die abstrakten Aussagen des BFH dazu, was unter einer Vorzugsbesteuerung zu verstehen ist. Zwar wird die Beantwortung der Frage, ob ein Besteuerungsregime erhebliche Steuerlastminderungen ermöglicht, nicht in jedem Fall einfach gelingen. Eine Vielzahl praktisch relevanter Fälle wie etwa die Pauschalbesteuerungen in der Schweiz oder Italien werden jedoch hiernach wohl eindeutig als solche Systeme zu identifizieren sein.
  • Zwar verliert die erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht häufig viel von ihrem potenziellen Schrecken, wenn im konkreten Sachverhalt ein Doppelbesteuerungsabkommen zur Anwendung kommt und die in Rede stehenden Einkünfte danach doch nicht in Deutschland mit Einkommensteuer belastet werden dürfen. Sofern es um Staaten geht, mit denen kein deutsches DBA besteht, oder wenn im Einzelfall z.B. mangels Ansässigkeit im anderen Staat kein DBA-Schutz besteht, bleibt es jedoch bei der deutschen Besteuerung.

Über die im Urteil behandelten Aspekte der deutschen Einkommensbesteuerung bestimmter Einkünfte hinaus ist schließlich zu beachten, dass mit der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht auch eine Erweiterung des Vermögensumfangs einhergeht, der im Fall unentgeltlicher Übertragungen innerhalb von zehn Jahren nach dem Wegzug der deutschen Erbschaft-/Schenkungssteuer unterliegt. Zwar gilt auch dies vorbehaltlich abweichender DBA-Regelungen; anders als im Bereich der Einkommensteuern bestehen jedoch nur wenige deutsche Erbschaft-/Schenkungsteuer-DBAs, so dass die Gefahr von wirtschaftlichen Folgen einer Doppelbesteuerung bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer realer erscheint als im Hinblick auf die Einkommensbesteuerung.

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